Forschungsprojekt EWID zur Energiegewinnung im Wasserverteilungsnetz nutzt Fernwirksystem von SCHRAML für intelligentes Druckmanagement
München, August 2016
München, August 2016
Der Einsatz von Turbinen direkt im Wasserverteilungsnetz zur Stromerzeugung ist bislang durch die starken, bedarfsabhängigen Schwankungen im Netz und die Anforderung an eine stabile Wasserversorgung der Abnehmer nicht realisierbar gewesen. Ein von der Universität der Bundeswehr München koordiniertes Forschungsprojekt will dies nun ändern – mittels neuester Technologien für Automation und Fernwirken in Kombination mit intelligenter Druckregelung. Die SCHRAML GmbH hat dafür ihr Prozessleitsystem und die Fernwirk- und Automatisierungsstationen bereitgestellt und übernimmt die Regelung des entwickelten Systems und des Netzes. Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Projekt „Energiegewinnung im Wasserverteilungsnetz durch intelligentes Druckmanagement (EWID)“ befindet sich jetzt am Abschluss der Technikumserprobung im Teststand der Universität und lässt einen erfreulichen Ausblick auf eine hohe Energieeffizienz und eine deutliche Verringerung des Wasserverlustes auch in der Praxisumgebung zu.
Bereits heute wird in Druckminderanlagen entstehende Druckenergie durch den Einsatz von Turbinen und auch von als Turbinen arbeitenden Pumpen (PaT) in elektrische Energie umgewandelt. Dieses Vorgehen wird aktuell jedoch meist auf Transportleitungen mit hohem Gefälle angewendet, d.h. in Zonen außerhalb der im Versorgungsnetz üblichen Druck- und Durchflussschwankungen. Gerade die Energiegewinnung direkt im Verteilungsnetz hat sich nun das EWID-Projektteam zum Ziel gesetzt. Das „klassische“ Druckmanagement durch Druckminderventile wird dabei durch eine sogenannte Pumpe als Turbine (PaT) ergänzt, die durch ein System für intelligentes Druckmanagement gesteuert wird. Dieses berücksichtigt über ein geeignetes Regelungsmodell die verbrauchsbedingten Druckschwankungen und sorgt für eine Energierückgewinnung bei gleichzeitiger Sicherstellung der geforderten Mindestversorgungsdrücke.
Das von der Universität der Bundeswehr München (UniBwM), dem Wasser- und Abwasserbetrieb Ammersee (AWA) in Bayern und dem nordrhein-westfälischen Wasserversorgungszweckverband Perlenbach (PER) bei Monschau, der Ingenieursgesellschaft Dr. Krätzig, dem Pumpenhersteller KSB und von SCHRAML betriebene Forschungsprojekt hat nun die erste Hürde erfolgreich genommen. Auf dem Versuchsstand in der Universität, der die reellen Bedingungen am Druckminderschacht der beiden Wasserversorgungsunternehmen abbildet, konnte in den bislang erfolgten Versuchen nachgestellt werden, dass die intelligente Pumpensteuerung zu nennenswerter Energieausbeute führen kann und ein intelligentes Druckmanagement mittels Pumpen als Turbinen möglich ist.
Nicht nur aus Nachhaltigkeitsgründen, sondern auch wirtschaftlich ist der Einsatz der Pumpen als Turbinen im Gegensatz zu konventionellen Turbinen attraktiv, denn es handelt sich um Standardprodukte mit geringen Anschaffungskosten, mit denen auch kleinere Energieeinsparungspotenziale sinnvoll erschlossen werden können und so eine absehbare Amortisierung der Investitionskosten erzielt werden kann.
Die beiden am Projekt beteiligten Wasserversorgungsunternehmen (WVU) AWA und PER weisen unterschiedliche Szenarien hinsichtlich Durchfluss, Druckunterschieden und Netztopographie auf und spiegeln somit die Vielfalt in den WVU in Deutschland wider. Im Technikumsprüfstand der UniBwM wurden die für das Projekt ausgewählten Netzbereiche der beiden Wasserversorgungsunternehmen modelliert und simuliert. Dementsprechend gibt es am sogenannten Druckminderschacht des Prüfstands zwei Leitungsstränge für jedes Wasserversorgerszenario mit unterschiedlichen PaT-Konstellationen.
Bei der angestrebten intelligenten Druckregelung ist der über die PaT abgebaute Druckunterschied nicht konstant, sondern in Abhängigkeit vom Verbraucherverhalten und vom Betriebsdruck an sogenannten „kritischen Punkten“ im anschließenden Wasserverteilungsnetz variabel. Dieses sind Punkte, an denen es bei bestimmten Lastfällen (Spitzenverbrauch oder Brandfall) am ehesten zu Problemen bei der Einhaltung des Versorgungsdruckes kommen könnte (hier muss über die Regelung der erforderliche Mindestdruck eingehalten werden) oder es sind dort bei bestimmten Lastfällen (Ruhedruck) erhöhte Betriebsdrücke zu erwarten (hier wird der maximal zulässige Ruhedruck geregelt). Als Projektziel gilt die Erreichung eines maximalen Energieertrags durch die PaTs, ohne dabei die Versorgungssicherheit im Netz zu gefährden.
Das Prozessleit- und Fernwirksystem von SCHRAML steuert und regelt das Gesamtsystem im Technikum. Die wesentlichen Komponenten des Prüfstandes (Förderpumpen, Regelventile, PaT, Magnetventile) kann der Bediener im Prozessleitsystem am PC überwachen und beeinflussen. Alle erfassten Messparameter (Durchfluss, Druck, Temperatur) werden hochauflösend (1- und 10-Sekunden-Takt) von den Fernwirkstationen an das Prozessleitsystem übertragen. Die Werte und Meldungen werden vom System visualisiert und archiviert, so dass auch grafische Ganglinienauswertungen und Protokolle über verschiedene Zeiträume hinweg aufgerufen werden können.
Sogenannte Fernwirkstationen mit SPS-Funktion von SCHRAML sind dafür zuständig, (a) die Pumpen zur Simulation des Wasserversorgungsnetzes zu steuern, (b) die Messwerte „am kritischen Punkt“ und „im Druckminderschacht“ zu erfassen und zu verarbeiten, (c) die verschiedenen Stränge PER und AWA und deren PaT im Schacht anzusteuern und hinsichtlich ihrer Drehzahl bzw. Drehmoment zu regeln sowie (d) die Daten und Befehle bi-direktional an das zentrale Prozessleit- und Fernwirksystem zu übertragen. Die Fernwirkstationen kommunizieren dabei nicht nur mit dem Leitsystem, sondern mittels Quersteuerung auch direkt miteinander, um Steuerungsbefehle ausfallsicher und in Nahe-Echtzeit ausführen zu können. Für eine schnellstmögliche Datenfernübertragung wird schon jetzt auf dem Prüfstand, genau wie später im Feld, ein LTE-Router eingesetzt.
Für die Regelung der PaT durch die Fernwirk- und SPS-Stationen wurde gemäß IEC 61131-3 unter Berücksichtigung verschiedenster Rahmenparameter ein CODESYS-basierendes Programm entwickelt, das entweder über eine feste Drehzahltabelle oder über einen PID-Regler die Nachdruckregelung der PaT übernimmt. Der Einsatz des PID-Reglers ermöglicht basierend auf einem Annäherungsmodell die Regelung des Nachdruck-Sollwerts nach der PaT und damit eine zeitabhängige (Verbrauchsschwankungen) und vom kritischen Punkt beeinflusste, dynamische Flexibilität.
Salomé Parra und Frank Krönlein, wissenschaftliche Mitarbeiter an der Professur für Siedlungswasserwirtschaft und Abfalltechnik an der Universität der Bundeswehr München meinen, dass Regelungsmodelle zur dynamischen Steuerung, innovative Fernwirktechnik und die Nutzung moderner Datenübertragungswege mit hohen Übertragungsgeschwindigkeiten in der Wasserwirtschaft enorme Potenziale heben können. So kann gleichzeitig die Wirtschaftlichkeit der Wasserversorgung erhöht und Nachhaltigkeit gefördert werden.
Im Januar 2016 konnte mit dem Meilensteinbericht die technische Machbarkeit und die Wirtschaftlichkeit des entwickelten EWID-Systems unter gewissen Randbedingungen nachgewiesen werden. Als zweite Projektstufe (Sommer und Herbst 2016) wird das System nun in den Wassernetzen der am Projekt beteiligten WVU getestet. Auf Basis der abschließenden Potenzial- und Wirtschaftlichkeitsanalyse können andere WVU dann fundierte Investitionsentscheidungen treffen.
Über das EWID Projekt
EWID (Energiegewinnung im Wasserverteilungsnetz durch intelligentes Druckmanagement; www.unibw.de/ewid) ist eines von zwölf vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Maßnahmen unter dem Rahmen ERWAS – Zukunftsfähige Technologien und Konzepte für eine energieeffiziente und ressourcenschonende Wasserwirtschaft (www.bmbf.nawam-erwas.de). Ziel der ERWAS Fördermaßnahme ist es, den Energieverbrauch in der Wasserwirtschaft angesichts der Verknappung konventioneller Energieträger und höherer Energiekosten zu senken. Denn allein der Strombedarf der in Deutschland vorhandenen Anlagen für die öffentliche Wasserversorgung und Abwasserbehandlung entspricht dem Verbrauch von rund 1,6 Millionen Vier-Personen-Haushalten.
Das EWID Projektkonsortium
Universität der Bundeswehr München: zuständig für Koordination, Versuche, Wirtschaftlichkeit und Leitfäden
KSB AG: zuständig für Pumpen, Pumpenkompetenz, Hydraulik
AWA-Ammersee Wasser- und Abwasserbetriebe gKU und Wasserversorgungszweckverband Perlenbach: zuständig für Betriebserfahrung, Erprobung und Bewertung
SCHRAML GmbH: zuständig für Prozessleittechnik, Elektronik, Automation und Telekommunikation
Dr. Krätzig Ingenieurgesellschaft mbH: zuständig für Projektberatung zu intelligentem Druckmanagement
Weitere Informationen zum SCHRAML Engagement in Forschung und Förderung finden Sie hier.